Dallgow-Döberitz gehört zu einer der beliebtesten Gemeinden im grünen Umland. Viele Berliner siedeln sich hier gern an, wenn sie aus der Großstadt in den Speckgürtel ziehen. Oft wissen die Neuzugezogenen aber gar nicht, dass der Ort Geschichte atmet. So gibt es in der Nachbarschaft nicht nur den Truppenübungsplatz Döberitz, der nun als erhaltenswertes Biotop in die Sielmann-Stiftung übergegangen ist.
Auch Dallgow-Döberitz selbst hat 125 Jahre Militärgeschichte hinter sich.
Einer, der sich mit dieser Historie auskennt, ist Klaus Michels (81). Er ist als historischer Guide viel im Olympischen Dorf Elstal unterwegs und berichtet von der Entstehung, der Nutzung und der Entwicklung ab 1936. Zusammen mit Hans-Heinrich Rathjen lädt der ehemalige Diplom-Lehrer bei der Reichsbahn, der sich inzwischen als Berufsrentner sieht, aber auch zu Führungen und Vorträgen zum Thema „Truppenübungsplatz Döberitz – 125 Jahre Militärgeschichte in der Umgebung“ ein. Diese Veranstaltungen werden von der Gemeindebibliothek Dallgow-Döberitz (www.dallgow.de) organisiert. Sie sind für bis zu 25 Teilnehmer kostenfrei, Spenden sind aber erwünscht.
Klaus Michels: „So eine Führung durch Dallgow, die dauert etwa drei Stunden. Und wir laufen durchaus ein paar Kilometer – vom Treffpunkt am Bahnhof bis in die Döberitzer Heide hinein und zum Sperlingshof. Ich möchte den Neubürgern in Dallgow einmal zeigen, wo sie hier eigentlich wohnen. Da, wo jetzt die Neubaugebiete liegen, da fand sich früher – gleich gegenüber vom Wasserturm – das Militärlager. Das wurde von den Kaiserlichen, von der Wehrmacht und zu DDR-Zeiten von den Sowjets genutzt. Wo jetzt neue Häuser stehen, standen früher u.a. einmal die Militärlatrinen.“
Das Militärlager wurde 1895 eingerichtet – erst als Sommerlager mit Zelten. Später hat man es dann ausgebaut mit Wellblechbaracken und festen Unterkünften. Zur Kaiserzeit waren hier die Dragoner und die Artillerie stationiert, wohl um die 10.000 Mann stark.
Das Militärlager hat auch die Infrastruktur von Dallgow-Döberitz beflügelt: 16 Bierschänken gab es damals rund um das Lager. Wie sagt Klaus Michels so schön: „Es waren ja genug Trinker da.“ Passend zum Bier wurden in den Gasthäusern gern deftige Pferdebuletten ausgegeben.
Im ersten Weltkrieg waren auch viele tausend Kriegsgefangene in Dallgow untergebracht. Die Russen unter ihnen wurden dazu gezwungen, eine Verbindung zwischen dem Schlaggraben und dem Königsgraben zu buddeln. So ist der heutige „Russengraben“ entstanden.
Ein echtes Problem auf der Führung: Fast alle historischen Gebäude von Wert aus der damaligen Zeit sind inzwischen verschwunden. So steht man vor einer saftigen Wiese oder einem modernen Neubau – und soll sich vorstellen, dass es hier einmal einen Schießplatz mit Schützenhaus, das Restaurant „Zum Gardestern“ oder die Offiziersspeiseanstalt gegeben hat.
Klaus Michels: „Vieles hat man verkommen lassen, die dafür Verantwortlichen gibt es nicht mehr, die neuen kennen sich nicht aus. Es ist schade, was hier an Geschichte verloren gegangen ist. Auf meiner Führung möchte ich aber trotzdem einen historischen Überblick vermitteln, damit man sich bei einem eigenen Spaziergang in Zukunft besser orientieren kann.“
Sichtbar sind in der Döberitzer Heide – auf der anderen Seite der B5 – immerhin noch die Grundrisse des alten Schwimmbades mit Liegewiese, das damals als Militärbadeanstalt errichtet wurde. Klaus Michels: „Hier stand auch ‚Der Löwe von Döberitz‘ als Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs. Die Weiherede dafür wurde von Hindenburg persönlich gehalten. Der Löwe ist längst verschwunden, nur den Sockel sieht man noch. Ein Stück weiter war einmal ein Klärwerk, da stand das Wasser einen Meter tief. Da haben wir früher im sogenannten ‚Kesselbruch‘ Karauschen gefangen. An der einen Seite des Sees wurde das Abwasser ungeklärt eingeleitet, auf der anderen war es schon sauber. Heute sieht man das nicht mehr, da steht nur noch eine Wiese.“
Über weitere Vorträge und Exkursionen kann man sich auf der Homepage der Bibliothek schlau machen. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 159 (6/2019).
Der Beitrag Militantes Dallgow: Unterwegs mit Klaus Michels erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.