Wenn Uwe Stark (56) vom Falkenseer Grünflächenamt besorgt in die Baumkronen der Stadt emporschaut, dann sieht er dort nichts Gutes. Überall in den Laubbäumen ist die Weißbeerige Mistel zu sehen. Der kugelige Halbschmarotzer ist zwar dazu in der Lage, selbst Photosynthese zu betreiben, treibt die eigenen Wurzeln aber direkt ins Astwerk der befallenen Bäume, um sich auf diese Weise Wasser und Mineralstoffe vom Wirt anzueignen.
Uwe Stark: „Über tausend Bäume in Falkensee sind inzwischen sehr stark von der Mistel befallen. Vor allem die Linden trifft es ganz besonders. Die pflanzlichen Parasiten schwächen den Wirt auf Dauer und sorgen außerdem dafür, dass die Statik der befallenen Äste nicht mehr gegeben ist. Wir versuchen nun in diesem Jahr verstärkt, dieser Plage Herr zu werden und entsprechende Beschnittarbeiten durchzuführen. Das ist aber natürlich eine echte Sisyphusarbeit.“
Die Zeit arbeitet gegen die Baumpfleger. Denn die Mistel verbreitet sich mit einem besonderen Kniff immer weiter. Die weißen Samenkapseln der bis zu einem Meter im Durchmesser großen Pflanzen, die bis zu 70 Jahre alt werden können, werden vor allem von der Misteldrossel, aber auch von der Mönchsgrasmücke und vom Seidenschwanz gefressen. In der Falkenseer Region trägt auch die Amsel stark zur Verbreitung der Mistelsamen bei. Die Samen der Mistel sind übrigens mit einem besonders starken Kleber versehen, der früher sogar dafür verwendet wurde, um daraus Klebstoff zu gewinnen. Er sorgt dafür, dass die mit dem Vogelschnabel am nächsten Ast abgestrichenen oder aber mit dem Kot abgegebenen Mistelsamen sofort am Baumgeäst kleben bleiben und hier parasitär austreiben können. Das bedeutet natürlich auch: Je mehr Misteln in einem Gebiet vorhanden sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass schon bald über die Vogelverbreitung weitere hinzukommen werden.
Die Mistel, die zu den Sandelholzgewächsen gehört und die im Volksmund auch gern Donnerbesen, Druidenfuß, Hexenbesen, Wintergrün, Bocksbutter, Albranken, Vogelkraut oder Kreuzholz genannt wird, kann übrigens nicht überall wurzeln. Es gibt Laubbaumarten, die als „mistelfest“ gelten. Dazu zählen etwa die Platane, die Rotbuche, die Echte Walnuss, Kirschbäume und Ulmen. Nadelgehölze werden von einer eigenen Mistelart befallen.
Wer die Ringpromenade am Falkenseer Fußballplatz entlangflaniert oder um die Panzerteiche läuft, kann sich die Mistelschäden ohne Mühe mit eigenen Augen ansehen: Die kugeligen Plagegeister kleben mitunter dutzendfach in den Kronen der befallenen Bäume.
Eine goldene Sichel, wie sie der Druide Miraculix zum Mistel-Ernten in den Asterix-Comics einsetzt, wird in Falkensee nicht ausreichen, um den Kampf gegen den Mistelbefall zu gewinnen.
Uwe Stark, der seit 20 Jahren für die Stadt arbeitet, aus dem technischen Bereich kommt, aber seit anderthalb Jahren das Grünflächenamt unterstützt: „Leider ist es nicht damit getan, einfach nur die Misteln abzuschneiden. Wir müssen auch den befallenen Ast bis zu seinem Ursprung entfernen, weil er durch den Mistelbefall einfach nicht mehr stabil genug ist. Nach der Behandlung, die gut zwei bis drei Stunden in Anspruch nimmt, sieht der so behandelte Baum ziemlich gerupft aus. Aber nur so können wir den befallenen Baum retten.“
Der Fachbereich Grünflächen der Stadtverwaltung Falkensee gibt zu bedenken, dass es im Einzelfall nötig sein kann, gerade die Linden radikaler zurückzuschneiden. Dabei kann ein „Auf-Kopf-Setzen“ (Kopfschnitt) Sinn ergeben. Der so entstehende Kopfschnitt ist eine sehr stark reduzierende Methode des Kronenschnitts.
Uwe Stark: „Da die Bäume in Falkensee unter genauer Beobachtung u.a. der Baumschutzgruppen stehen, ist es gut, die Mistelaktionen jetzt schon anzusprechen, damit unsere Maßnahmen im Einzelfall besser einzuordnen sind.“
Die anhaltende Trockenheit über die letzten drei Jahre ist übrigens kein Grund für das zahlenmäßige Wachstum der Misteln, die im Einzelfall bis zu 50 Kilo schwer sein können. Als Parasit haben die Misteln auch mit dem Befall gesunder Bäume kein Problem.
Uwe Stark: „Was wir allerdings in der Stadt wahrnehmen, ist eine steigende Anzahl absterbender Birken. Da die Birke ein Flachwurzler ist, hat sie über die Wurzeln keinen Zugang zum Tiefenwasser und verdurstet in der Folge sehr schnell, sobald der Grundwasserspiegel sinkt. Und der Grundwasserspiegel in Falkensee ist so niedrig wie schon lange nicht mehr.“
Angesichts des hohen Zeitaufwands, der nötig ist, um auch nur einen einzelnen Baum von Misteln zu befreien, ist nicht davon auszugehen, dass die Mistel schon bald aus dem Falkenseer Stadtbild verschwindet. Darüber werden sich vor allem die Verliebten freuen, die gern zur Weihnachtszeit einen Mistelzweig in den Türrahmen hängen, um so der Tradition folgend einen „Kuss unter dem Mistelzweig“ einzufordern.
Die Beeren der Mistel gelten übrigens als stark giftig, sie dürfen vom Menschen nicht verzehrt werden. Die Zweige und Blätter der Mistel gelten als schwach giftig, was am enthaltenen Viscotoxin liegt. „Kräuterhexen“ setzen auf einen kalten Aufguss der Blätter, bei dem das Gift anscheinend nicht in das Wasser übergeht. Entsprechende Misteltees sollen blutdruckregulierend, stoffwechselanregend, blutstillend und beruhigend wirken.
Uwe Stark ist nur eins noch wichtig: „Im Stadtbild sieht man zurzeit Linden, die stehen bereits im satten Grün. Andere Bäume direkt daneben sehen noch ganz kahl aus. Das liegt nicht am Mistelbefall. Manche Bäume sind eben echte Spätzünder, die treiben einfach später aus als ihre Nachbarn.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 171 (6/2020).
Der Beitrag Über 1.000 Bäume in Falkensee von Misteln befallen! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.