Die Bahn hat im Dyrotzer Luch eine sogenannte Ausgleichsfläche in Form einer Streuobstwiese geschaffen – und sie in der Folge leider sich selbst überlassen. Der NABU Osthavelland hat die Fläche vor einigen Jahren per Zufall entdeckt – und ihre Pflege in Absprache mit der Bahn übernommen. Viele seltene Tiere und Pflanzen fühlen sich seitdem vor Ort wieder heimisch. Am Tag der offenen Tür konnte sich jeder Interessierte selbst ein Bild von der Arbeit der Naturfreunde machen.
Um zur Streuobstwiese im Dyrotzer Luch zu finden, die vom Ortsverband Osthavelland des NABU (www.nabu-osthavelland.de) gepflegt wird, braucht man schon eine Karte. Vom Poloplatz in Falkensee-Finkenkrug geht es etwa einen Kilometer weit mal rechts, mal links über Sandwege in die Felder hinein. Hier, mitten im Nirgendwo, finden sich ein 10,5 Hektar großes Grundstück, das nicht beackert, gedüngt, vergiftet oder vom Menschen genutzt wird. Der Mensch greift hier nur sehr moderat ein, um einen bestimmten Biotopstyp zu erhalten – den der Streuobstwiese.
Am 31. Juli lud der NABU zu einem „Tag der offenen Tür“. Viele Naturfreunde nutzten die Gelegenheit, um einen Fahrradausflug zu machen und einen Tag auf dem Gelände zu verbringen.
Dirk Sommer erzählt: „2014 ist Fred Meister aus Zufall auf diese Fläche gestoßen und hat sich über die Streuobstwiese gefreut. Früher gab es in jedem Dorf Streuobstwiesen. Sie haben die Menschen mit Obst versorgt, waren aber auch wichtiges insektenreiches Biotop mit vielen seltenen Tieren. Fred fand heraus, dass es sich bei der Streuobstwiese im Dyrotzer Luch um eine vor zehn Jahren angelegte Ausgleichsfläche der Deutschen Bahn handelte. Sie war aber anscheinend in Vergessenheit geraten, denn sie drohte zu verwildern und zu verbuschen. Wir haben den Kontakt zur Bahn gesucht und seitdem einen Partnerschaftsvertrag. Ehrenamtlich kümmert sich nun der NABU seit dem Jahr 2015 um die Flächen. Die Untere Naturschutzbehörde hat unserem Konzept ebenfalls zugestimmt.“
Das bedeutet, dass es immer wieder Arbeitseinsätze gibt, um die Verbuschung aufzuhalten, um die Obstbäume zu beschneiden, um neue Pflanzungen vorzunehmen oder um das Biotop zu erweitern.
Andreas Schulze: „Auf der Fläche finden sich 188 Obstbäume, darunter Apfel-, Birnen-, Pflaumen- und Kirschbäume. Es gibt Quitten und Mispeln, Walnussbäume und Esskastanien. Auch Mirabellenbüsche finden sich hier. 60 alte Obstsorten haben wir nachgepflanzt, sodass wir auch dazu beitragen, Obstsorten zu erhalten, die ansonsten aussterben könnten.“
Ganz egal, ob Finkenwerder Herbstprinz bei den Äpfeln oder Gelbe Knorpelkirsche: Spätestens bei der Ernte freuen sich alle Beteiligten über die große biologische Diversität im Anbau. Dirk Sommer: „Das Obst wird vor allem von den Vögeln genutzt. Aber wir nehmen auch selbst das eine oder andere mit.“ Fred Meister: „Meine Nachbarin hat mir im letzten Jahr etwa einen tollen Pflaumenkuchen gebacken.“
Drei bis vier Ehrenamtliche sind regelmäßig vor Ort. Bei Arbeitseinsätzen sind aber auch schon einmal bis zu 20 NABU-Freunde mit dabei. In der Vergangenheit sind so z.B. eine Sitzgelegenheit, ein schöner Teich mit Sandboden und künstlichem Zufluß, ein Steinhaufen als Sonnenplatz für Zauneidechsen und ein Barfußpfad entstanden. Außerdem haben die Experten viel Zeit in eine Artenerhebung investiert.
Fred Meister: „Im vorderen Bereich kümmern wir uns um eine Maht, um die Krautschicht unter den Bäumen zu pflegen. Auf dem ganzen über zehn Hektar großen Gelände schaffen wir das aber nicht. Halbjährlich stehen deswegen Schafe und Rinder auf dem Gelände, die der Naturschutzförderverein Döberitzer Heide zu uns bringt und vor dem Winter wieder abholt. Man sieht die positive Entwicklung. Wildstauden wie die Wiesenglockenblume kehren wieder zurück, viele Wildbienen sind da und auch die Königskerzen haben wieder zugenommen.“
Eine am Teich aufgestellte Wildkamera hat außerdem gezeigt, dass Rehe, Dachse, Füchse, Waschbären und sogar Feldhasen gern zu einer Stippvisite vorbeischauen.
Dr. Beatrix Wuntke ist Biologin und im Nachbarkreis Potsdam für den NABU tätig. Sie entdeckte bei ihrem Besuch sogleich einen Stieglitz auf dem Gelände. Gekommen war sie, um Netze zwischen den Bäumen zu spannen. Ihr ging es darum, Vögel zu fangen, um sie zu beringen und zu bestimmen. Nachts sollten nach der gleichen Vorgehensweise auch Fledermäuse erfasst werden: „Der Wind war leider zu stark. Dann bewegen sich die Netze und die Vögel sehen das und weichen aus.“
Sie war nicht die erste Expertin vor Ort. 2016 war Dr. Harald Hauser bereits auf der Streuobstwiese und hat Heuschreckenarten bestimmt. Das ergibt Sinn, denn das kniehohe Kraut, das unter den Bäumen wächst, gilt als besonders insektenreich. Über 5.000 Tier- und Pflanzenarten finden in diesem Biotop eine Heimat.
Gefährdete Schmetterlinge wie der Dukatenfalter, der Große Feuerfalter, der Große Fuchs und der Malven-Dickkopf wurden bereits nachgewiesen. Bei den Pflanzen sind es der Weidenblättrige Alant, der Spitzblättrige Ehrenpreis, die Kornrade, die Moschus-Malve oder der Baldrian, die auf der Streuobstwiese wachsen und die zu den gefährdeten Arten gehören.
Fred Meister: „Vor allem für die Zauneidechsen ist das hier ein Paradies. Blindschleichen und Waldeidechsen habe ich bislang noch nicht gesehen. In unserem Teich gab es schon Kaulquappen, ich denke einmal von der Erdkröte. Frösche und Molche müssen sich erst noch ansiedeln.“
Das auch von zwei Imkern genutzte Gelände soll von Außenstehenden bitte nicht betreten werden. Den Tag der offenen Tür soll es auch im kommenden Jahr wieder geben. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 186 (9/2021).
Der Beitrag Falkensee: Tag der offenen Tür vom NABU Osthavelland auf der Streuobstwiese im Dyrotzer Luch! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).