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Channel: Seite 125 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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10 Jahre: Das Rathaus von Schönwalde-Glien war einmal ein Kaufhaus!

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Auch Rathäuser dürfen Geburtstag haben. Das von der Gemeinde Schönwalde-Glien feierte am 7. November sein zehnjähriges Bestehen. Bürgermeister Bodo Oehme lud die Bürger zu informativen Führungen samt einer historischen Rückbesinnung ein. Zum Rahmenprogramm gehörten auch ein Film von Heide Gauert, ein Fotoshooting zur Erweiterung des beliebten Bürgerbandes und ein Auftritt vom Begegnungschor.

Das große imposante Rathaus von Schönwalde-Glien in der Berliner Allee, das war früher zu DDR-Zeiten einmal ein HO-Kaufhaus. Nach der Wende stand das Gebäude lange Jahre leer. Schon früh entwickelte Bürgermeister Bodo Oehme die Vision, aus dem zentral gelegenen Gebäude ein Rathaus zu machen. Es war aber alles andere als einfach, diese Vision an die Realität anzupassen.

Passend zum 10-jährigen Bestehen des Rathauses am aktuellen Standort lud der Bürgermeister zu Führungen durch seine Wirkungsstätte ein.

Der Andrang war so groß, dass die Führung um das Gebäude herum und mitten hinein gleich mehrfach in Folge durchgeführt werden musste.

Bodo Oehme: „Das Gebäude an der Berliner Allee wurde um 1947/48 gebaut. Der Besitzer hat vor Ort einen Eisenwarenhandel betrieben. Im Seitenflügel war aber auch noch Platz für einen Friseur, einen Apotheker, eine Fleischerei und – auf der anderen Seite – einen Fischladen. Die Handelsorganisation HO führte hier ein Kaufhaus. Nach der Wende wurde alles anders – da zog ein Supermarkt ein. Der wurde aber bald zusammen mit 150 weiteren Supermärkten wieder geschlossen, obwohl er durchaus gewinnbringend war. Da der Mietvertrag aber auf weit über zehn Jahre geschlossen wurde, bekam die damalige Besitzerin weiterhin die Miete überwiesen. Ich habe damals bereits darum geworben, mit dem Rathaus in das Gebäude zu ziehen. Aber meine Avancen wurden nicht erhört. Wie auch, wenn man monatlich weiter Mieteinnahmen hat.“

In der Folge zog eine Versicherung in das Gebäude, in schneller Folge wechselten die Gewerbetreibenden. Bis das Haus lange Jahre über teilweise leer stand.

Bodo Oehme: „Zwei Millionen Deutsche Mark wollte die Besitzerin haben, das war zu viel. Irgendwann kam sie dann aber zu uns und fragte: Wollen Sie das Haus immer noch kaufen? Wollten wir. Aber nicht zu dem Preis. Die Bodenpreise waren damals ganz unten im Keller. Wir konnten uns auf 425.000 Euro einigen. 2008 hatte sich der Kauf angebahnt, 2009 haben wir gekauft. Dann kam die Umbauphase.“

Die Verwaltung von Schönwalde-Glien saß damals noch in der Sebastian-Bach-Straße. Bodo Oehme: „Dort platzte alles aus den Nähten. 32 Mitarbeiter mussten sich um 97 Quadratkilometer Gemeinde kümmern – das ist ein größeres Gebiet als Spandau.“

Siegfried Spallek, Ortsvorsteher von Wansdorf und Vorsitzender der Gemeindevertretung, erinnerte sich: „Das Gebäude ist gemeindeprägend. Dass man es für das Schönwalder Rathaus nutzen konnte, das ist wirklich super. Aber was für Kämpfe wir in der Gemeindevertretung ausgefochten haben, bis das alles am Ende umgesetzt wurde, das kann sich keiner vorstellen. Ich kann mich an die Diskussion erinnern, ob denn nun eine Klimaanlage im Rathaus eingebaut werden soll. Wir haben argumentiert, dass wir die Mitarbeiter im Sommer doch nicht ohne Kühlung in den heißen Räumen sitzen lassen können. Ein Einverständnis kam allerdings erst, als wir das Argument brachten, dass in der Hitze sonst die Computer abstürzen würden.“

Viel musste an dem Gebäude umgebaut und saniert werden. Der Anbau musste sogar komplett weg, der war nicht ordentlich gegründet worden. Oehme: „Außerdem haben wir den Fischgeruch nie wegbekommen.“

2011 konnte das Rathaus endlich umziehen – am 1. November wurde die erste Bürgersprechstunde durchgeführt. Ziel war es von Anfang an, ein lebendiges Rathaus zu schaffen – mit vielen kleinen Gewerbeeinheiten. Bürgermeister Bodo Oehme: „Das ist gut gelungen. Vom Blumenladen bis hin zum Zahnarzt ist immer etwas los bei uns im Gebäude. Allerdings habe ich gleich darauf gedrungen, dass die Läden keine Außenwerbung anbringen dürfen. Das einzige Außenschild weist auf das Rathaus hin. Das ist auch gut so, denn sonst hätten die Schilder schon mehrfach ausgetauscht werden müssen.“

Vieles lässt sich über das Rathaus erzählen. So etwa, dass damals nach dem Krieg keine Baumaterialien zur Verfügung standen und die Bauherren elf verschiedene Steinsorten verbaut haben – vom Gasbetonstein bis zum Klinker. Bodo Oehme: „Viele der Ziegelsteine stammen von den Berliner Trümmerfrauen, die sie in den Ruinen geborgen und von Hand geputzt hatten. Deswegen haben wir an zwei Stellen im Rathaus auch den Blick auf das alte Mauerwerk zugelassen.“

Ein Problem gibt es zehn Jahre nach der Inbetriebnahme des neuen Rathauses bereits jetzt schon wieder: Das Rathaus ist zu klein. Oehme: „Wir haben jetzt 40 Mitarbeiter und nach der Personalraumverordnung keinen Platz mehr. Da die Bürokratie stetig weiter zunimmt, wächst auch der Bedarf an neuen Mitarbeitern. Aufnehmen können wir sie nur, wenn wir sie in Zukunft auslagern.“

Die Besucher konnten am 7. November nicht nur dem Bürgermeister folgen. Im Hof gab es Würstchen und Nackensteaks vom Grill. Im neu ausgebauten Tourismus-Raum konnte man Schönwalde-Merchandising erstehen. Beim Gang durch die Etagen des Rathauses informierte jede Abteilung darüber, wofür sie eigentlich da ist. Hier konnte man gleich das Gespräch mit den Kollegen suchen.

Die Filmemacherin Heide Gauert präsentierte zusammen mit ihrer Cutterin Ines Evelyn Kuhnert im Dachgeschoss einen sechsminütigen Film in Dauerschleife, der den damaligen Neubau und den Umzug der Verwaltung dokumentierte. Heide Gauert erklärte dabei ihren besonderen Bezug zu Schönwalde-Glien: „Im Rathaus-Gebäude gab es früher den Fotoladen von Frau Sens. Hier habe ich das Fotografieren gelernt, das muss so 1959 gewesen sein.“

Als Fotograf wirkte eine Etage tiefer der Dallgower Fotograf Peter-Paul Weiler, der interessierte Besucher einmal mehr dazu einlud, Teil des Schönwalder „Bürgerbands“ zu werden. Dabei handelt es sich um Fotokacheln im Treppenhaus des Rathauses, die Bürger aus Schönwalde-Glien zeigen – und für die Ewigkeit einfangen.

Bürgermeister Oehme: „So ein Bürgerband habe ich zuerst bei einem Besuch des Rathauses in unserer Partnergemeinde Muggensturm gesehen. Das habe ich abgekupfert, das fand ich toll. 2011 haben wir die ersten Fotografien gemacht – und fünf Jahre später noch einmal nachgelegt.“

Für fünf Euro konnten sich die Besucher fotografieren lassen – im Bewusstsein, schon bald auf den deutlich kostenintensiveren Fliesen verewigt zu werden. Uta Krieg-Oehme: „Eingeladen waren auch Menschen aus den Nachbargemeinden, wenn sie sich denn Schönwalde-Glien verbunden fühlen.“

Am Ende sang auch noch der Begegnungschor mit Geflüchteten aus der Übergangsunterkunft im Erlenbruch unter der Leitung von Kantorin Heike Thiemann.

Da sage man einmal, der zehnjährige Geburtstag eines Rathauses sei langweilig. Weit über hundert Besucher sahen das ganz anders. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 189 (12/2021).

Der Beitrag 10 Jahre: Das Rathaus von Schönwalde-Glien war einmal ein Kaufhaus! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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