In Nauen wird die Vergangenheit lebendig. Hier wird das historische Dorf Gannahall neu aufgebaut: Der Semnonenbund e.V. betreibt vor Ort experimentelle Archäologie und erforscht den Alltag der havelländischen Vorfahren vor 2.000 Jahren. Beim „Alls Wari Dags“ darf es sogar richtig kriegerisch zugehen. Beim Brückenkampf kommen echte Schwerter, Äxte und Lanzen zum Einsatz. Das historische Dorf Gannahall liegt ganz am Rand von Nauen – in der Ludwig-Jahn-Straße 22g. Dort nutzt der Semnonenbund e.V. (www.gannahall.de) ein großes Gelände in Erbpacht, um der Geschichte der Semnonen nachzuspüren, die vor über 2.000 Jahren einmal in der unmittelbaren Nachbarschaft gelebt haben.
Ziel ist es für den Verein, die u.a. bei Veranstaltungen eingenommenen Gelder zu nutzen, um Stück für Stück eine frühgeschichtliche Siedlung neu aufzubauen. Dabei entstehen germanische Langhäuser, Grubenhäuser, Speicher, Brunnen und Lehmöfen. Auch eine umlaufende Sicherungsanlage, bestehend aus Graben, Wall, Palisadenzaun, soll mit der Zeit vor Ort gebaut werden. In den letzten Jahren hat das Projekt Gannahall große Fortschritte gemacht, einige der frühzeitlichen Häuser sind bereits fertiggestellt worden.
Gesine Gärtner gehört zu den Gründungsmitgliedern des Semnonenbundes, zu dem heute 20 Mitglieder zählen: „Wir betreiben experimentelle Archäologie – und finden durch das Nacherleben heraus, warum etwa eine Feuerstelle in einem germanischen Langhaus nur an einer ganz bestimmten Stelle eingerichtet werden konnte.“
Vor 2.000 Jahren ging es noch recht martialisch zu: Kriegerische Auseinandersetzungen waren nicht eben selten. In der Folge mussten die Männer firm im Umgang mit Schwert, Axt, Schild und Speer sein. Der Semnonenbund geht auch auf diesen historischen Fakt ein – und lädt seit 2010 jährlich zum „Alls Wari Dags“ ein. Rico Krüger: „Was wir hier in Nauen veranstalten, ist Deutschlands erster historischer Wettkampf in gerüstetem Kampfsport.“
In diesem Jahr fiel der Kriegerwettstreit auf den 7. und 8. Mai. An beiden Tagen war das historische Dorf Gannahall für interessierte Besucher geöffnet. Wie es vor Ort schon typisch ist, wurde kein Eintritt erhoben. Die Besucher konnten sich aber mit heißer Kesselsuppe, Würstchen vom Grill, leckerem Met und anderen kulinarischen Überraschungen eindecken. Es gab auch einige Händler vor Ort. Möglich war es für die Besucher außerdem, sich im Axtwerfen oder im Bogenschießen zu beweisen.
Die meisten Besucher staunten allerdings lieber über die vielen, vielen Krieger, die in individuell angefertigten Rüstungen auf ihren Kampf warteten. Sie waren aus ganz Deutschland und auch aus Polen angereist, um hier in Nauen untereinander ihre Kräfte zu messen. Die meisten Mittelalterfreunde kamen für das Event sogar in der Gruppe – und hatten auf dem Gelände entsprechend Zelte, Bänke und Waffendepot als gemeinsames Lager aufgebaut.
Rico Krüger, der 1. Vorsitzender im Verein Semnonenbund ist: „Am Samstag finden immer die Einzelkämpfe statt, am Sonntag geht es um die Gruppenkämpfe. Hier ist der Brückenkampf das absolute Highlight der Veranstaltung.“
Steff aus Chemnitz zeigte, dass auch die Frauen kämpfen können: „Ich bin am Samstag im Schwertkampf angetreten. Na klar habe ich meinen Kampf gewonnen.“
Am Sonntag konnte man sie unter den Zuschauern beim Gerkampfturnier entdecken. Dabei traten Kämpfer wie „Alex der Technikmeister“ oder „Markus Isengrimm“ mit dem Zweihandspeer gegeneinander an, um mit plötzlichen Vorstößen möglichst drei Körpertreffer zu erzielen. Steff: „Die Speere dürfen maximal 2,50 Meter lang sein. Die Spitzen sind stumpf. Aber man spürt es trotzdem deutlich, wenn man von so einem Speer getroffen wird.“
Der Höhepunkt der „Alls Wari Dags“ war der Brückenkampf. Hier wurde auf einer flachen Holzbrücke gekämpft, die nur wenige Meter lang ist. Zwei Teams aus fünf Kämpfern traten gegeneinander an. Sie waren mit Schildern, Messern, Schwertern, Speeren und Äxten bewaffnet. Ziel war es, auf Kommando auf die Brücke zu stürmen, die Feinde niederzumetzeln und am Ende einen im Gras liegenden Schild mit Schwert oder Speer zu berühren.
Sechs Schiedsrichter standen neben der Brücke – mit langen Holzstäben in der Hand. Sie tippten jeden Kämpfer an, der getroffen wurde und dies im Eifer des Gefechts nicht sofort bemerkt hatte. Sie mussten sofort die Brücke verlassen. Aus dem Kampf genommen wurde auch jeder Krieger, der von der Brücke gedrängt wurde und mit dem Fuß das Gras berührte.
Rico Krüger trat für die „Gannahall Gangster“ an: „Ich bin der Ausputzer. Ich passe auf, dass keiner durch meine Gruppe durchbricht. In diesem Fall haue ich einfach mit dem Schwert drauf.“
Sieben Teams traten gegeneinander an – mit „ganz normaler Härte im bewährten Havelstil“. Die „Havelsippe“, die „Fliederflanke“, „Freystatt Restalkohol“ und auch die „Scheppernden Pimmelwölfe“ schenkten sich auf der Brücke nichts und lieferten sich spannende Kämpfe, die oft bereits nach der ersten Minute entschieden waren.
Rico Krüger: „Die Gruppennamen der Brückenmannschaften sind übrigens nicht sooo ernst gemeint, sondern werden oft erst am Tag des Wettkampfes ge- bzw. erfunden.“
Andreas Ulrich (44) stammt aus Leegebruch – und ist mit Schwert und Schild bereits seit sieben Jahren bei den Brückenkämpfen mit dabei: „Das Verletzungsrisiko ist bei uns nicht höher als beim Fußball. Man verdreht sich mal das Bein, es gibt eine Platzwunde, man bekommt blaue Flecken. Wir kennen uns aber alle untereinander sehr gut und möchten abends noch zusammen ein Bier trinken. Wir sind eine große Gemeinschaft, es geht bei den Kämpfen deswegen sehr fair zu.“
Beim Brückenkampf durfte aber auch gelacht werden. Da rief etwa die eine Mannschaft mit ausreichend Ersatzkämpfern in der Hinterhand: „Wir haben noch ein großes Kontingent an Friedensstiftern.“ Und der Gegner antwortete sofort: „Wir nicht. Nicht jeder möchte gern ein Pimmelwolf sein.“
Wichtig war den Teilnehmern ihre authentische Rüstung. Andreas Ulrich: „Meine Rüstung mit Lamelle und Helm stammt aus der Ukraine. Sie wurde von einem Schmied handgefertigt. Das lassen wir uns etwas kosten. 1.600 Euro habe ich für meine Rüstung bezahlt.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 195 (6/2022).
Der Beitrag Brückenkampf im historischen Dorf Gannahall in Nauen! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).