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Channel: Seite 125 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Kino-Filmkritik: Babylon – Rausch der Ekstase

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„Babylon – Rausch der Ekstase“ ist der neue Film von Oscar-Gewinner Damien Chazelle („La La Land“ und „Whiplash“). Er setzt dem alten Hollywood mit seinem mehr als dreistündigen Epos ein opulentes Denkmal, das man so schnell nicht mehr vergessen wird. Wenn man es denn gesehen hat! In den USA ist der Film gar fürchterlich gefloppt. Das ist aber völlig zu Unrecht passiert. Denn „Babylon“ ist eine cineastische Naturgewalt, die in der ersten Hälfte wie ein Tsunami über den Zuschauer rollt und ihn einfach mitreißt.

Hinein in eine Orgie der Exzesse, der Perversionen, der puren Liebe zum Kino und dem Hang, die After-Work-Partys immer noch etwas größer zu inszenieren als die eigentlichen Filme.

„Babylon – Rausch der Ekstase“ beginnt in den Zwanziger Jahren und reicht bis in die Fünfziger hinein. Wir lernen den strebsamen mexikanischen Manny Torres (Diego Calva) kennen, der sich aufopferungsvoll und mit guten Ideen um die Drecksarbeit am Kinoset kümmert, aber schon bald sein Herz unglücklich an das schrille Kinosternchen Nelly LaRoy (Margot Robbie) verliert, die zu ihrem ersten Job kommt, weil ein gebuchtes Starlet ihre Nase zu tief in den Kokstopf gesteckt hat.

Chazelle nimmt sich gleich mehrere Charaktere vor, die er auf dem Weg vom Stummfilm in den vertonten Film begleitet. Brad Pitt spielt den erfolgreichen Charmeur Jack Conrad, der seine Ehen schneller wechselt als seine Unterhemden – und der beim Wechsel zum Tonfilm auf der Strecke bleibt. Im Auf und Ab von Hollywood sieht auch der farbige Sidney Palmer (Jovan Adepo) seine Stunde gekommen. Der begnadete Jazz-Trompeter findet schnell seinen Weg auf die Leinwand, muss aber eine Entscheidung treffen, als er zum „Blackfacing“ gezwungen wird, weil er auf der Leinwand nicht dunkel genug erscheint.

Die Schicksale kreisen umeinander, begegnen sich, beeinflussen sich. Dabei tauchen sie immer wieder ein in dekadente, perverse, absolut moralfreie und drogenintensive Feiern, die an echte Orgien erinnern. Die ersten zehn Minuten des Films spielen komplett auf einer solchen bombastischen Party, auf der nackte Zwerge herumrennen, überall Brüste wippen und am Ende ein echter Elefant durch den Saal getrieben wird. Angesichts dieser orgiastischen Exzesse ahnt man: Kein Wunder, dass dieser Film im prüden Amerika so ignoriert wurde.

Aber auch das ist Thema bei „Babylon“. Während am Anfang im Stummfilm alles erlaubt ist und aus Versehen mit dem Speer ermordete Statisten achselzuckend in Kauf genommen werden, ändert sich die Tonlage nach dem Wechsel zum vertonten Film: Auf einmal gibt sich die Schickeria rund um Hollywood moralinsauer, langweilig, politisch korrekt und sehr hochnäsig. Exzesse sind nicht mehr angesagt und ein Partyluder wie Nelly LaRoy wird nur noch als peinlicher Bauerntrampel wahrgenommen. Ein Schelm, der da keine Parallelen zur aktuell über-politisch-korrekten Welt zieht.

Am Ende verliert „Babylon – Rausch der Ekstase“ ein wenig von seinem Tempo und der irrsinnigen Kraft seiner Bilder. Die letzte halbe Stunde hätte man ganz streichen können. Volle fünf Punkte gibt es aber wegen dem kackenden Elefanten, dem Schlangenkampf, den zahlreichen Star-Überraschungen in der zweiten Reihe und der grandiosen Musik. (CS / Bilder: Paramount Pictures)

Fazit: 5 von 5 Sterne (FSK: 12)
Spieldauer: 188 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=KF0aIkobIcY

Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 106 (1/2023).

Der Beitrag Kino-Filmkritik: Babylon – Rausch der Ekstase erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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